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Ovid – Metamorphosen

Pyramus und Thisbe - eine rührende Liebesgeschichte

Die Geschichte von Pyramus und Thisbe bildlich darzustellen, kann - so möchte man meinen - eigentlich nur in realistischer oder zumindest figürlicher Form geschehen; die Szenen, die Ovid beschreibt, sind ja anschaulich und plastisch. Der Kieler Künstler Mathias Foot bricht mit dieser erwartbaren Vorstellung und hat im Jahr 2023 speziell für diese Unterrichtseinheit Darstellungen geschaffen, die die Geschichte von Pyramus und Thisbe mit Punkten und Flächen scheinbar ohne Konkretion erzählen.

Foot ist von Haus aus Grafiker und lässt sich immer wieder von der Plakatkunst des 20. Jahrhunderts inspirieren; bei seiner bildlichen Erzählung von Pyramus und Thisbe kommt noch ein weiterer Einfluss hinzu: der des dänischen Künstlers Poul Gernes, der mit seiner auf einfache Formen reduzierten und auf klare Farbkontraste setzenden Kunst bekannt geworden ist. Foot zitiert ihn und findet doch einen eigenen Stil.

Die Bilder sind aber nicht nur künstlerisch interessant, sie folgen auch einem didaktischen Prinzip: Sie machen neugierig auf den Text, denn sie sind in ihrer schlichten Abstraktion geheimnisvoll und regen die Phantasie an; sie laden dazu ein, durch die Lektüre zu klären, was genau gemeint ist. Die Bilder verwickeln die Schülerinnen und Schüler gewissermaßen in eine Auseinandersetzung mit dem Wortlaut der Erzählung. Ein lebendiger Bild-Text-Dialog entsteht. Im Laufe des Dialogs erschließen sich die unanschaulichen Bilder zusehends und können geradezu gelesen werden. So werden der hellblaue und der rosafarbene Punkte als Pyramus und Thisbe wiedererkannt und die drei ständig wiederkehrenden und sich farblich verändernden Punkte als die Früchte des Maulbeerbaumes. Ganz im Sinne eines echten Dialogs ergeben sich aber auch Spannungen: Es gibt überraschenderweise keine Löwin auf dem entsprechenden Bild, die Maulbeeren verfärben sich später als in der textlichen Fassung und die traurige Schlussszene erstahlt in einem frohen Gelb. Die erste Begegnung mit den Bildern löst bei Schülerinnen und Schülern zumeist Unverständnis aus, doch bleibt es nicht dabei: Die Bilder reizen sie und begeistern sie sogar. Das liegt nicht zuletzt an ihrer Modernität und dem Mut des Künstlers, das konkret Erzählte in eine solch andere Sprache zu übertragen: die Sprache der grafischen Kunst.

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