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Aktualisierung

Die antike Welt ist den Schülerinnen und Schülern wie allen Menschen der heutigen Zeit fremd und vertraut zugleich: "Rom und Griechenland sind uns das nächste Fremde, und das vorzüglich Bildende an ihnen ist [...], daß uns das Eigene dort in einer anderen Möglichkeit, ja überhaupt im Stande der Möglichkeiten begegnet." (U. Hölscher) Diese grundsätzliche Erfahrung von distanzierter Nähe oder naher Distanz bildet die Basis eines Aktualisierungskonzepts für den Lateinunterricht.

Im Grunde befinden sich die zentralen Texte des Lektürekanons (und gewiss die Lehrbuchtexte) schon in der passenden Position zum heutigen Leser: Sie stehen inhaltlich in einer Balance von Zugänglichkeit und Verschlossenheit. Einer intervenierenden Aktualisierung bedarf es daher in der Regel nicht. Das liegt vorrangig daran, dass die Texte, die von Schülerinnen und Schülern gelesen werden, elementare Themen darbieten: Existentielles, Ethisches oder Ästhetisches. Das Überzeitliche ist das eigentlich Aktuelle. Das Gegenwärtige ist nur scheinbar aktuell - im nächsten Moment ist es schon überholt: "Verglichen damit ist [...] die griechisch-römische Tradition heute vermutlich aktueller als die Zeitgeschichte." (Chr. Meier)  

Für den Lateinunterricht bedeutet dies, dass grundsätzlich Zurückhaltung dabei geübt werden muss, das aktuelle Zeitgeschehen einzubeziehen. Man darf den Texten und ihren Themen zutrauen, dass sie Schülerinnen und Schüler aus eigener Kraft in sich verwickeln und binden. Leicht erscheinen den Lernenden Maßnahmen der Aktualisierung künstlich und gewollt, vor allem dann, wenn nichts anderes dabei herauskommt als die Beobachtung, dass es auch damals schon so war. Stärker als diese bloß auf Identitäten setzende Aktualisierungen wirken solche, die auch eine Differenz zwischen dem Heutigen und dem Damaligen berücksichtigen.

Der didaktische Anspruch, dass Unterricht den Lebensweltbezug herstellen muss, bleibt bei dem gerade skizzierten Konzept gewahrt: Elementare Themen sind grundsätzlich Teil der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen. Es gilt sich aber diesen großen Themen behutsam zu nähern: Sie sind für einen direkten Zugang bisweilen zu komplex oder können allzu abstrakt wirken. Hier können sorgsam ausgewählte Gegenwartsbezüge vermittelnd helfen, ein erstes Verständnis der Problematik aufzubauen und einen ersten Zugang zu finden. Vermittelnde Aktualisierungen haben also ihre Berechtigung darin, dass sie Kinder und Jugendliche gewissermaßen öffnen für eine weiter reichende Fragestellung.   

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